Vom 14. bis 20. Mai 2024 fand die Schweizermeisterschaft (SM) im Streckensegelflug im Birrfeld statt. In drei Klassen hatten sich 32 Teilnehmer angemeldet, darunter auch Jörg Bächtiger. Aufgrund des Wetters konnten jedoch nur an 4 bzw. 5 Tagen gültige Wertungen erfolgen. An allen Tagen wurden Assigned Area Tasks (AAT) ausgeschrieben.
Im Gegensatz zu Racing Tasks, bei denen feste Wendepunkte vorgegeben sind und einfach der schnellste Pilot gewinnt, wird bei einer AAT-Aufgabe der Wendebereich mit großen Radien und einer minimalen Flugdauer angegeben. Der Pilot entscheidet je nach aktueller Wetterbedingung, wann er die Startlinie überquert, welche Route er wählt und wo er den konkreten Wendepunkt setzt. Ziel ist es, in der gegebenen Zeit eine möglichst hohe Durchschnittsgeschwindigkeit zu erreichen. Hier ist die Flugtaktik entscheidend. Nur wer das Wetter in den verschiedenen Gebieten richtig einschätzen kann und zum optimalen Zeitpunkt wendet, hat eine Chance auf eine hohe Punktzahl und somit einen guten Rang im Klassement.
Wertungstag 1
In der 18m-Klasse ist eine Aufgabe im Gebiet Schwarzwald ausgeschrieben. Drei Stunden und eine Streckenlänge zwischen 211 km und 415 km sind möglich. Die Basis im Tafeljura liegt etwa bei 1800 m. Kurz nach der Öffnung der Startlinie fliege ich direkt Richtung Hütten-Hotzenwald. Von der Ferne sind dort schöne CU-Wolken zu erkennen. In meinem jugendlichen Übermut fliege ich jedoch etwas zu schnell und komme nur knapp auf der Höhe des Flugplatzes an – zu tief, um zu kreisen. Plan B! Etwas nördlich finde ich jedoch eine Stelle für den Einstieg und bin schnell wieder auf meiner Arbeitshöhe. Die DG-800 gleitet unter den Wolken zügig nach Norden.
Nach einiger Zeit werde ich unsicher, ob ich wirklich die richtige Route fliege, da ich keine anderen Segelflieger sehe. Wenig später überholt mich eine JS3. Ich nutze die Gelegenheit und versuche, dem Flugzeug zu folgen – ohne Erfolg. Bei einer Geschwindigkeit von bis zu 200 km/h sinkt die DG-800 auch mit maximalem Wasserballast deutlich stärker als eine moderne JS3 (1,45 m/s vs. 1,8 m/s).
Nach 3:10 Stunden und 317 km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp über 100 km/h lande ich im Birrfeld. Mein erster Wettbewerbsflug ist Geschichte. Der Tagessieg geht an Rolf Friedli mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 115 km/h mit einer AS 33 Es. Ich erreiche den 6. Platz.
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Flug auf Weglide https://www.weglide.org/flight
Wertungstag 2
Wieder ist eine AAT-Aufgabe ausgeschrieben, diesmal dem Jura entlang mit einem Abstecher ins Flachland. Nach der Öffnung der Startlinie fliege ich mit dem Pulk ohne zu kreisen im Bereich zwischen 1750 m und 1550 m Richtung Westen. Höher zu fliegen bringt hier nicht viel, da der Luftraum TMA T3 von Basel nicht beflogen werden darf. Kurz vor dem Chasseral treffe ich die Entscheidung, rechts unter eine dunkle Wolke zu fliegen – ein fataler Fehler, wie sich herausstellt. Was ich nicht beachtet habe, ist, dass sich nördlich des Chasserals ein aktives Wetter befindet. Mein Vario kennt nur noch eine Richtung: abwärts.
Schnell verliere ich an Höhe und kann mich noch knapp auf 1100-1200 m bei sehr schwachem Steigen halten. In der Hoffnung auf besseres Steigen wende ich und fliege Richtung Osten. Östlich von Biel finde ich in der Höhe von 800 m erneut nur schwaches Steigen. Dieses Mal habe ich mehr Geduld und erarbeite mir in 10 Minuten 400 m. Mit 1200 m geht es weiter Richtung Osten. Doch die Thermik-Göttin ist mir nicht hold. Nördlich des Flugplatzes von Grenchen verweile ich noch einige Minuten, bis ich in der Höhe von 730 m (300 m AGL) die Entscheidung treffe, in Grenchen mit einem Direktanflug zu landen. Ein Flugplatz mehr auf meiner Liste, auf dem ich schon gelandet bin.
An diesem Tag bin ich einer von drei Piloten, die die Aufgabe nicht erfüllen, und belege in der Tagesrangliste mit nur 124 Punkten den letzten Platz. In der Gesamtrangliste verliere ich zwei Plätze.
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Video des Starts und der ersten Phase des Wettbewerbsfluges https://www.youtube.com/watch?
Flug auf Weglide mit Vergleich zum Tagessieger https://www.weglide.org/flight
Wertungstag 3
Die AAT-Aufgabe an diesem Tag ist eine Kombination aus Jura und Schwäbischer Alb. Wieder überquere ich die Startlinie kurz nach der Öffnung. Die Basis im Jura liegt bei etwa 1500 m. Die Bedingungen sind herausfordernd. Im Gegensatz zum zweiten Wertungstag kreise ich diesmal in der Thermik. In der Nähe von Oberbuchsiten finde ich mich auf einer Höhe von 770 m wieder und muss mich mühsam wieder nach oben kämpfen. Doch es klappt. Diesmal bin ich vorsichtiger und kann, ohne zu kreisen, bis zur Höhe von Grenchen fliegen und wenden.
Beim Rückflug muss ich die Kernkraft zur Hilfe nehmen. Zum Glück ist das KKW Gösgen in Betrieb. Mit drei anderen Segelfliegern schauen wir uns den Kühlturm von oben an. Wieder zurück im Jura geht es Richtung Schwäbische Alb. Die Arbeitshöhe ist jedoch sehr gering. Zwischen 900 m und 1500 m kämpfe ich mich vorsichtig Richtung Nordosten, immer mit Blick auf den Boden, um mögliche Außenlandefelder zu identifizieren. Südlich des Flugplatzes Reiselfingen kann ich bis auf eine Höhe von 2000 m steigen. Meine Anspannung lässt endlich nach. Südlich von Donaueschingen wende ich und fliege den nächsten Wendepunkt an. Den letzten Aufwind nehme ich über Bad Säckingen mit und steige auf eine sichere Höhe von 1400 m, mehr als genug für den Endanflug nach Birrfeld. Nach 3:23 Stunden lande ich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 km/h und einer Strecke von 236 km.
Die Mehrheit der Piloten konnte an diesem Tag die Aufgabe nicht erfüllen. Nur fünf von zwölf gestarteten Piloten kamen ans Ziel. Mit diesem Resultat kann ich einen Rang in der Gesamtrangliste gutmachen.
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Weglide https://www.weglide.org/flight
Wertungstag 4
Die Aufgabe des letzten Tages ist etwas für die Jura-Spezialisten. Bei thermisch schwierigen Verhältnissen geht es den Jura entlang. Die Taskdauer wird aufgrund des späten Starts der Thermik von 2:30 auf 1:30 Stunden verkürzt. Dies macht es für mich nicht einfacher. Mein Ziel ist es, meinen Rang in der Gesamtwertung zu halten, das heißt, nicht viel langsamer als meine Konkurrenten zu sein.
Nach der Öffnung der Startlinie fliegen wir im Pulk Richtung Westen. Teilweise sind bis zu zehn Flugzeuge im gleichen, engen Aufwind. Unzählige Male schlägt das Flarm-Alarm. Einige Konkurrenten gehen ein sehr großes Risiko ein (aka Kamikaze-Piloten, wörtlich „göttlicher Wind“-Piloten), sodass ich einige Male den Pulk verlasse und mir meinen eigenen Aufwind suche. Leider nützt dies nicht viel, da jeder ein vorausfliegendes Flugzeug mit Argusaugen beobachtet, und sobald dieses schnell steigt, fliegt der gesamte Pulk hinterher und das Spiel beginnt von Neuem.
Nach dem zweiten Wendepunkt versuche ich, mit einer Höhe von 1050 m über Erlinsbach den dritten Wendepunkt zu erreichen. Wie am Vortag ist das Kernkraftwerk Gösgen in Betrieb und der Kühlturm zeigt deutliches Steigen an. Leider gelingt es mir dieses Mal nicht, den Aufwind auszunutzen. Nach zwei Kreisen gebe ich mein Vorhaben auf und fliege in einer Höhe von 630 m vom Turm weg. Glücklicherweise habe ich eine Woche zuvor die Außenlandefelder in dieser Region erkundet. Westlich des Kernkraftwerks gibt es zwei Felder. Aus der Luft erkenne ich, dass der Bewuchs des Feldes gerade neu geschnitten ist (genauer, der Bauer ist beim Abtransport des Grases). Das Fahrwerk ist ausgefahren, und ich gehe, ohne abkreisen in den Downwind und drehe nach rechts in die Base. Rund um das Kernkraftwerk Gösgen gibt es sehr viele Hochspannungsleitungen, so auch hier. Links vom Feld hat es zwei Leitungen, rechts vom Feld sind mehrere Wohnblöcke und im Final eine schräg verlaufende Baumreihe. Mit genügend Höhe überfliege ich die Bäume und setze anschließend weich auf der frisch gemähten Wiese auf. Da das Feld genügend lang ist (360 m), kann ich die DG-800 nach dem Aufsetzen ausrollen lassen, sodass ich 50 m vor der querverlaufenden Straße zum Stehen komme.
Nach der Landung aktiviere ich den Rückholservice der SM und warte geduldig auf dessen Eintreffen. Meine Landung wird von den Anwohnern schnell bemerkt, und bald erkläre ich verschiedenen Leuten, woher ich komme, wieso ich hier gelandet bin und wie es nun weitergeht, etc. etc.
Schlussendlich haben mir für die Erfüllung der Aufgabe etwa 500 Höhenmeter gefehlt. Andere Piloten hatten mit dem Kühlturm mehr Glück als ich und konnten die Aufgabe abschließen. An der Gesamtrangliste hat sich jedoch nichts geändert.
Siehe https://www.soaringspot.com/de
Video, aber ohne die Aussenlandung https://www.youtube.com/watch?
Weglide https://www.weglide.org/flight
Aussenlandefeld Dulliken: https://landewiesen.streckenfl
Fazit
Die Teilnahme an der SM im Birrfeld war eine sehr interessante Erfahrung und ich habe neue Piloten kennengelernt. Um in den vorderen Rängen mitfliegen zu können ist es unabdingbar, dass das Flugzeug eine hohe Geschwindigkeit beim besten Gleiten hat. Z.B. liegt die Geschwindigkeit des besten Gleitens bei einer JS3 bei 120km/h mit 55:1. Bei der DG-800s bei 112km/h mit 51:1 bei maximaler Flächenbelastung. Eine JS3 ist jedoch kein Garant für eine gute Klassierung.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich wieder mal an einem Wettbewerb teilnehmen werde oder nicht. Ganz sicher ist jedoch, dass ich nicht mehr im Birrfeld fliegen werden. Nicht wegen der Infrastruktur, sondern auf Grund der Lage des Flugplatzes. Thermisch ist das Birrfeld eher zum Flachland zu zählen als zum Jura.
Schlussrangliste https://www.soaringspot.com/de
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